Dienstag, 18. März 2014

Dein Spiel hat "Potential"

Heute stolperte ich wieder über den schönen Begriff Potential/Potenzial (beide Schreibweisen sind korrekt). Es hieß, ohne zitieren zu wollen: "Das Spiel sieht so aus, als könnte es Potential besitzen". Die Aussage an sich, will ich auch überhaupt nicht kritisieren, eher meine Gedankengänge loswerden, die mir im Zuge dessen kamen. Zum Einen natürlich: "Nein, besitzt es nicht" zum Anderen "Ist das wirklich ein Kompliment?" - nicht zwingend im dargebrachten sinngemäßen Zitat, wo es richtig benutzt wurde, sondern im üblichen Anwendungsfall?

Potential wird als eine unausgeschöpfte Stärke beschrieben, als etwas das möglicherweise vorhanden sein könnte, entweder aus Vermutung oder tatsächlicher Faktendarlegung heraus.
Auch der Kontext spielt eine Rolle. Würde ich ohne weitere Ausformulierung sagen: "Ich will ein Video zu dem Spiel machen, denn es besitzt Potential", könnte es sowohl bedeuten das Spiel wäre möglicherweise gut, als auch, es wäre so schlecht, dass es ein witziges Video ergeben würde. Die gute alte Subjektivität halt.

Für diesen Artikel behaupten wir nun einfach mal, es sei ein potentiell gutes Spiel gemeint. Beziehen wir uns auf die Aussage: "Dein Spiel hat Potential". Auf den ersten Blick ein Kompliment, bei genauerem Nachdenken, ist es das nicht wirklich. Eher hat der Entwickler bei solch einer Aussage versäumt, die Stärken seines eigenen Szenarios zu nutzen, diese nicht erkannt, nicht an den richtigen Stellen unterstützt und/oder nur halbherzig ausgebaut. So zumindest der Inhalt der Aussage an sich, weswegen es i.d.R. sinnvoll ist auszuformulieren, wo genau nun eigentlich das Potential des Spiels liegt, auch um Missverständnissen vorzubeugen. Halbgare Informationen helfen schließlich Niemandem. Potential kann ein Kompliment sein, könnte allerdings auch Kritik darstellen (in der Regel ist es als Kompliment gemeint).

Ich denke im Zuge dieses Artikels und für meine Person, bleibe ich jedoch bei der Bedeutung von Kritik, denn auf kritischer Ebene halten wahrhaft gute Spiele dem Wort Potential nicht stand, da diese kein Potential besitzen. Klingt dramatisch, führt jedoch meine vorangegangenen Aussagen konsequent fort: Es gibt nichts was hervorgekitzelt werden muss. Da ist nichts was nicht genutzt wurde. Es sind keine potentiell guten Spiele, sie sind gute Spiele. Sie haben ihr Potential genutzt.

Schaffen das in meinen Augen viele Spiele? Kommerzielle Titel sicherlich, wenn auch nicht alle. Im Indie-Bereich sieht das völlig anders aus, was aber auch verständlich ist: Es steckt i.d.R. kein professionelles Team dahinter, egal wie groß dieses auch immer sein mag. Sie beginnen mit ihren Erfahrungen sehr weit unten und müssen erst lernen ein ansehnliches Werk zu erstellen. Indie-Entwickler decken die komplette Palette von Null bis Hundert Prozent Professionalität ab, insofern sollte es nicht wundern, wenn die meisten Indie-Titel eher enttäuschen. Vor allen Dingen zähle ich RPG Maker Entwickler dazu, die mit der jeweiligen Engine eine sehr einfach zu bedienende Grundlage besitzen und jeder sie verwenden kann, der mindestens einen funktionsfähigen Finger besitzt.

Doch gerade deswegen sind meine Erwartungen an diese globale Community nicht besonders hoch - nicht aus voraussehender Enttäuschung, sondern weil sich jeder dran versuchen kann, der nie auch nur irgendwas über Gamedesign hörte. Jeder versucht mit seinen persönlichen Stärken ein Werk zu erschaffen, das seinen subjektiven Ansprüchen genügt. Nichts desto trotz sollte dieser Subjektivität gelegentlich eine Schranke vorgeschaltet werden, denn schlussendlich müssen sich doch alle Entwickler auf eine Sache einigen: Sie erschaffen etwas, was Anderen Spaß machen soll, und dafür existieren schlichtweg einige Grundregeln, die zu beherzigen sind und um die niemand herum argumentieren kann (diese werde ich an dieser Stelle nicht ausführen) - jedoch durchaus variieren kann. Und diese müssen über Zeit gelernt werden.

Eine, meiner Meinung nach, wichtige Grundsatzregel ist daher, die Stärken des jeweiligen Spiels zu finden, diese zu unterstützen und nochmal besonders hervorheben. Um das Gesamtpotential jedoch auszuschöpfen oder erst wachzurufen, ist ironischerweise breitflächige Kritik und Hinterfragung von Designentscheidungen notwendig. Der Entwickler sollte dazu gezwungen werden sich mehr mit seinem Werk auseinanderzusetzen, als er es bisher tat, um selbst zu erkennen woran es überhaupt mangelt. Dazu sollte auch die harte Eingebung gehören, dass das eigene Werk möglicherweise weder gut ist, noch Potential besitzt. Manche Entwickler kommen damit besser Zurecht als Andere, die Perfektionisten unter ihnen erkennen es sogar selbst und schmeißen ihr Werk ständig um, um es erneut kritisch zu hinterfragen, bis sie selbst völlig zufrieden damit sind.
Diese Fähigkeit der Selbstreflexion ist leider weniger verbreitet als ich es gerne hätte, weswegen ich um so glücklicher bin, wenn es auftritt - denn dann ist noch nicht alle Hoffnung verloren. Genauso weckt auch die Erwähnung des Wortes "Potential", im richtigen Kontext, einen Hoffnungsschimmer, denn dann steckt in dem Werk tatsächlich etwas - und somit auch im Entwickler.

Lernresistente Spaten, die sich mit Kleinvieh zufrieden geben, werden jedoch weder ihr eigenes Potential, noch das ihres Werkes ausschöpfen können. Ich habe kein Interesse mehr, mich mit diesen "Werken" zu beschäftigen oder auch nur zu versuchen Potential zu finden, wo keines ist, so lange der Ersteller nicht fähig ist sein eigenes Werk und Schaffen zu hinterfragen.

Das waren meine Gedanken.

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