Montag, 21. April 2014

Die unfreiwillige Moralkeule

Der Titel dieses Blogs nimmt bereits so viel weg, dass ich behaupten kann, Moral sei eines der schwierigsten Themen in storylastigen RPG Maker Spielen, selbst wenn man dieses nicht einmal für sein Spiel beanspruchen wollte. Und wenn man doch bewusst einen hohen Rang für seine Moral integrieren wollte, kommt sie meist abgedroschen und vorhersehbar rüber. Natürlich verallgemeinere ich hier etwas, denn Spiele mit glücklich eingefügter Moral, die ich nicht aktiv bemerkte, fallen mir sicherlich nicht negativ auf. Doch gerade um diese negativen Eindrücke geht es mir ja, vor allen Dingen die unfreiwillige Seite - Beispiele werden folgen.

Doch wie passiert so etwas? Es geschieht, wenn Entwickler nicht in der Lage sind "ihre" digitalen Menschen zu entwickeln und zu beurteilen, das Geschehen des Spiels einfach völlig von der Realität abtrennen, einfach planlos drauflos entwickeln oder ihr Werk und die Aktionen ihrer Figuren nicht im Gesamtwerk betrachten.
Dann kommt zum Beispiel so etwas heraus, wie Tunguska: Tor der Zeit, wo es völlig okay ist, wenn die Protagonisten ekelhafte Killer und sympathisch wie Kakerlakenbrot sind. Da ist es okay, wenn Kinder/Babies für Experimente geopfert werden, Frauen an Ameisenhaufen gebunden werden und dort verrecken - denn am Ende, ziehen ja alle eine Lektion draus. NEIN, da existiert keine Lektion! Im Gegenteil, die Figuren stecken so tief in ihrem eigenen Arsch, dass sie offensichtlich nur vorgeben was gelernt zu haben oder zu dumm sind um ihren Fehler zu begreifen, dass sie mit der Methode trotzdem die Welt retten - und einer von ihnen wird sogar König.
Tolle Moral! Und das ist keine, wo man genau hingucken und interpretieren muss, um das so zu verstehen. Nein, nein. Es wird einem quasi ins Gesicht gedrückt, immer und immer wieder.

Leider sind nicht nur die Entwickler des eigenen Spiels selbst nicht fähig so erkennen, dass sie da eventuell eine etwas "falsche" Lehre darbrachten, sondern häufig auch Spieler - die in dem Kontext meist selbst Entwickler ihres eigenen Spiels sind, was mich dann noch mehr verwundert - denn es ist ja nur ein Spiel. Es könnte auch "nur" mein Eindruck sein, aber dieses "nur" scheint im deutschen Raum stark zu kursieren, wodurch die Bedeutung von Spielen dezent heruntergeputzt wird (natürlich nur so lange es RPGM-Spiele sind, nicht wahr? Da sind die Anforderungen an einen selbst gesenkt).
Man möge die mangelnde Kritik an Moral, im ersten Gedanken auf die Unlust schieben, schlechtere Spiele länger als unbedingt erforderlich zu spielen, wodurch die Rezension knapper ausfällt und die unfreiwillige Botschaft nicht gesehen wird. Das mag zum Teil stimmen, erklärt aber noch lange nicht, wieso das selbe Resultat beim Durchspielen auftritt. Und auch nicht, wieso offensichtlichste Design-Flaws nicht angemerkt werden, sondern nur gelobpreist wird .... Wieso schreibe und denke ich überhaupt noch, wenn jeder mit jedem Dreckmist durchkommt...

Aber gut, zurück zur Moral. Man möge nun behaupten, Moral sei bei jedem anders gestrickt und somit ließe sich überhaupt nicht bestimmen, was jetzt richtig oder falsch ist. Deswegen besitzen wir ja auch Gerichte und das Gesetz, die so etwas für uns übernehmen, oder?
Nein. Moral kommt in erster Linie vom gesunden Menschenverstand. Es ist nicht einmal notwendig Beispiele anzuführen, wenn Altbackenes noch immer gut funktioniert: "Was du nicht willst, das man dir tu', das füg auch keinem anderen zu". Was manch Gläubige behaupten, woher ihre Moral käme, will ich außen vor lassen, da ich keine Grundsatzdiskussion vom Zaun brechen will (denn sobald es zu Religion kommt, plärren plötzlich alle los).
Was mir trotzdem nicht erklärt, wieso moralisches Tohuwabohu so selten erkannt wird. Ich werfe Niemandem vor, es besäße keine Moral, denn die besitzt schlichtweg jeder. Jeder hat Anforderungen an sein persönliches Recht und seine Freiheiten und kann sich daher augenblicklich ableiten, was richtig und falsch ist. Hat Moral in Videospielen, etwa auch etwas mit Gamedesign zu tun und weniger mit "echter" Moral? Gut möglich!

Das Ding in Videospielen, im Vergleich zur Realität, ist Folgender: In der Realität funktioniert in der Regel diese ganze Moral-Geschichte, weil überall echte Menschen sind, die in einer bestehenden, halbwegs geordneten sozialen Struktur, miteinander auskommen müssen.
In Videospielen wird sich diese Struktur ausgedacht, keine Person ist wirklich echt und absolut alles basiert, fast ausschließlich, auf den Gedanken einer einzigen Person. In dieser Welt zieht erst jemand eine Lehre oder Strafe mit sich, wenn der Entwickler es bestimmt. Jemand hat erst ein schlechtes Gewissen, wenn der Entwickler es bestimmt. Und auch der Entwickler bestimmt, wann, wie oder ob überhaupt Ereignisse als etwas Negatives dargestelt werden.

Und diese Uneinigkeit mit der Realität und der Diktatur des Weltgeschehens, über das niemand zu wachen scheint, außer eine Person, erscheint mir das eigentliche Problem an der Sache. Geschehnisse kommen als Unrecht vor, wenn der Entwickler sich zu weit von der Realität entfernt. Wenn aus Taten keinerlei Folgen existieren oder sie gar für gelobpreist werden, sollte uns das falsch vorkommen.

Wir leben schon lange nicht mehr in Zeiten, in denen Videospielfiguren einfach machen können was sie wollen, weil sich die Industrie, aber noch viel mehr die Spielerschaft weiterentwickelte. Wer eine Story einflechten will, sollte auf Moral achten, wenn denn der Held auch ein Held sein soll. Und ja, Realität hat etwas in Videospielen zu suchen, wenn wir uns auf dieser Ebene unterhalten.

Das waren meine heutigen Gedanken.

[MG]

5 Kommentare:

  1. Dann will ich doch mal der Erste sein der seine Meinung zu deinem doch noch recht jungfräulichen Blog abgibt.
    Ich finde es super das du hier alle deine Gedanken nochmals in gebündelter Form zu besten gibt, da es das für mich deutlich einfacher macht diese noch einmal durchzusehen.

    Dafür Bedanke ich mich.

    Jedoch finde ich es nicht so nett wie du die Deutsche Makerszene hier herunterputzt. Zu dieser gehöre ich nämlich zufällig auch und ich kann dir versichern das ich sowas wie Reviews oder zumindest meine Meinung zu Spielvorstellungen sehr ernst nehme und nicht einfach alles schön rede was mir über den Weg kommt. Und ich kenne auch eine ganze Menge an Leuten die das ähnlich sehen.
    Ich muss daher sagen das ich den dritten Absatz recht persönlich nehme und er macht so ein wenig die Seriosität kaputt die du hier versucht aufzubauen.
    Ich weiß dass das Thema ein heikles ist, aber ich finde es trotzdem schade wie hier damit umgegangen wird.
    Ich verbiete dir natürlich nicht deine Meinung zu äußern, aber ich wollte an dieser Stelle doch mal meine Meinung äußern.

    Zum eigentlich Thema: Ich denke schon das das ein oder andere Spiel mit sehr eigenwilligen Moralvorstellungen (im weiteren Sinne) auskommen kann.
    Denn ich glaube je mehr sich eine Spielwelt von der unseren unterscheidet, umso eher sind wir gewillt abweichende Moralvorstellungen zu akzeptieren.
    Ebenso ist die Allgemeine Atmosphäre einflussnehmend darauf wie wir das Vorgestellte bewerten. Die Folgen müssen der Spielwelt entsprechend angepasst werden.
    So stört es niemanden wenn in einem Hack&Slay dutzende Menschen, Tiere, Maschinen ect. abgeschlachtet werden und dabei vielleicht der "Held" sogar noch ab und zu eine Dumme Bemerkung von sich geben darf.
    Bei einem RPG sieht es hier schon ganz anders aus, gerade wenn eine dichte Spielwelt mit einer emotionalen und fesselnden Story geplant ist.
    Auch verzeiht man Spielen aus der Tales of Reihe oder Final Fantasy zweiunddrölfzig deutlich mehr in Sachen Moral als einem Baldurs Gate oder Oblivion, da sich erstere schlicht gar nicht erst versuchen eine großartig konsistente Welt zu erschaffen. Es existiert nur was der Spieler auch live miterlebt. Es gibt keine große Hintergrundgeschichte, keine Märchen oder Sagen. Die Spiele nehme sich auch selbst nicht zu ernst. Es wird alles als Waffe verwendet was gerade das ist, seien es 2,5m großer Schwerter, Hunde oder mit Noppen besetzte Volleybälle. Zudem wird alles durch den Kakao gezogen das sich bewegt und alles andere auch.
    Umso dichter eine Welt, desto besser müssen die einzelnen Rädchen ineinander greifen.
    Und es kommt auch immer auf die Darstellung einer Tat an. Manch ein Mord kann gerechtfertigt werden und manch ein Angriff auf Unschuldige auch.
    Das sollte zwar nicht zur Gewohnheit werden, aber es gibt eben fast immer ein Schlupfloch.

    Soweit von mir.
    Ich hoffe bald mal mehr von deinen Einsichten zu Spielen und allem drum und dran zu lesen.

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  2. Hi Seikre,

    ein RPG-Maker Blog, der sich an RPGM-Künstler richtet und ich soll keine Kritik absondern, damit diese sich nicht unwohl fühlen. Natürlich. Ich putze die deutsche Makerszene runter, immer und immer wieder, und ich werde dabei kein Blatt vor den Mund nehmen, sorry.
    Seriösität hin oder her; wenn sich jemand vom Inhalt angegriffen fühlt, läge es da nicht im Bereich des Möglichen, dass dieser sich vom Inhalt aus gutem Grund kritisiert fühlt? Oder überempfindlich ist?

    Alte Spiele als Beispiele zu nehmen ist albern. Alte Spiele sind - nunja - alt. Sie steckten selbst noch in den Schuhen der Entwicklung. Wie ich im Blog schrieb, hat sich alles weiterentwickelt. Darüber hinaus sehe ich den Bruch von Moral in deinen Beispielen nicht (Maschinen töten ist verwerflich?).

    Auch sonst stimme ich nicht zu und sehe nicht, was deine Ausführungen mit Moral zu tun haben sollen, sehe aber, dass du um meine Argumentation komplett herumtanzt. Was wird denn, völlig egal in welchem Genre, getötet? Die offensichtlich bösen Leute, die versuchen die Welt zu vernichten. Irgendwelche Monster oder Dämonen zu verkloppen verzeihen wir auch mal, denn diese versuchen einen ebenfalls zu ermorden bzw. sind eine Gefahr für die Allgemeinheit.
    Es ist nicht moralisch verwerflich, in einem Hack&Slay diese bösen Viecher abzumurksen, egal in was für einer Zahl und egal mit was für einem "coolen Spruch" auf den Lippen (denn da kommt wieder der Aspekt FUN in Videospielen dazu).

    Und nein, es kommt nicht auf die Darstellung einer Tat an. Morde an Unschuldige können argumentiert sein, okay, sind jedoch moralisch verwerflich und machen die handelnden Personen zu Arschlöchern, mit denen ich mich als Spieler nicht identifizieren möchte (ja, es gibt da super seltene, Super-Sonderfälle, wenn der Protagonist wählen muss, zwischen dem Tod von zwei oder zweihundert Personen. Bloß wann kommt so etwas bitte vor?)

    Ich habe also keine Ahnung gegen was du hier argumentierst. Das war nicht Inhalt meines Blogs.

    [MG]

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  3. Zu argumentieren das man sich nur beschwert wenn man auch tatsächlich betroffen ist, um es ganz böse zu sagen, dumm.
    Dann könntest du auch argumentieren das alle Deutschen Nazis sind und wenn sich dann einer beschwert es mit einem "nur getroffene Hunde bellen" abzutun. Ich denke mal wir beide haben wohl schlicht eine andere Definition von "die deutsche Community", weil ich habe sie bisher als sehr nett kennengelernt sofern man sich nur meilenweit von bestimmen Orten fernhält.

    Für den Rest gilt:
    Ich Stimme dir ja hauptsächlich zu, das was ich schrieb bezog sich im großen auf den letzten kleinen Absatz und ich behaupte auch weiterhin das sich die Moralvorstellungen für Videospielfiguren kaum bis gar nicht geändert haben. Viele alte Spiele erfreuen sich noch Heute großer Beliebtheit ganz ungeachtet wie viele Schildkröten dabei ihr leben ließen. Nostalgie in allen ehren, aber ein schlechtes Spiel ist und bleibt ein schlechtes Spiel.

    Aber nochmal zum eigentlichen Thema des Blogs, vielleicht bekomme ich ja diesmal etwas brauchbares zusammen.
    Ich denke das Problem, oder besser die Probleme kommen aus zweierlei Richtung.
    Zum einen haben wir da die Fraktion Asmeda welche eigentlich gar nicht weiß worum es überhaupt geht und zum anderen die Fraktion Grudzel welche aufgrund der Eintönigkeit von sich selbst angewidert ist und nun versucht sich selbst neu zu erfinden, anstatt mal ein paar Tage Abstand vom Schema F zu suchen.
    Warum jetzt aber hier seitens der Spieler keine annehmbare Kritik kommt kann ich leider nicht sagen. (Beste Idee ever denen Namen zu geben)

    Oh und Moral ist doch etwas dehnbares. Sei es weil man böse Menschen in Spielen nicht mehr als Menschen sondern als Gegner definiert oder indem ich dem Spieler die Möglichkeit gebe an den Wachen vorbei zu schleichen und dabei noch deren Gedanken mit zu erleben, wodurch der nächste Kampf gegen diese ein flaues Gefühl im Magen hinterlässt.
    Ich kann also als Entwickler bestimmen ob der Mord (und nichts anderes ist es) mit Hilfe der Spielmechanik unter den Tisch gekehrt wird oder ob ich versuche den Spieler vor eine Gewissensentscheidung zu stellen.
    Ich gehe hier jetzt mal davon aus das die Person zumindest im Ansatz weiß was sie da tut.

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  4. Ich finde, das Thema der Moral sollte vom Gameplay-Design und der Zielgruppe abhängen. Wenn alle Charaktere durchweg "wie reale Menschen" handeln, haut irgendwann niemand mehr die traditionellen Gegner um, weil sie sonst in moralische Sinnkrisen geraten müssten, hat niemand etwas davon. xD

    Ich stimme aber durchaus zu, dass man sich als Entwickler deutlich mehr Gedanken über die Aussagen machen sollte, die man mit seinen Spieleinhalten trifft (oder auch nicht).

    Was ich persönlich aber wirklich interessant fände, wäre eine konstruktivere Diskussion der Glaubensfrage in RPG-Maker-Spielen (oder überhaupt in Spielen), ohne zwangsläufig auf "the church is full of evil scumbags!" ohne Zwischenhalte zu schlittern. Viel interessanter wäre doch auch die Frage, was einen Charakter überhaupt zum Glauben hinführen könnte? Und vielleicht gibt es ja auch Pros und Contras?
    Auf jedenfall könnte das Worldbuilding oft deutlich Zuwachs gewinnen, wenn man sich auch die politische Struktur einer Religionsgemeinschaft anschaut. Oft hat der obligatorische König nur einen Pfarrer als Würdenträger des Glaubens, aber was ist mit Bischöfen, Päpsten und anderen Kirchenfürsten?
    Das ganze eröffnet nämlich gerade bei moralischen Diskussionen für das Spiel neue Dimensionen, da sich gerade dadurch unterschiedliche moralische Ansprüche für Charaktere generieren, die man dann wunderbar gegeneinander stellen und thematisieren kann.

    Zum Kritisieren:
    Du solltest natürlich zu deiner Meinung stehen, aber musst auch akzeptieren, dass nicht jeder die mit offenen Armen willkommen heißt, nur weil du - vermeintlich - mehr Ahnung hast. Es ist überhaupt viel sinnvoller, wenn du nicht stets herauskehren musst, wie amateurhaft und schlecht die Mehrzahl der RPG-Maker-Entwickler deiner Meinung nach sind. So kommst du nämlich nicht rüber, wie jemand der konstruktiv etwas dazu beitragen will, dass sich die Leute mehr Mühe geben und Gedanken machen, sondern wie ein Besserwisser, der auf andere herabsieht.
    Und nun rate mal, welche der beiden Rollen die Leute nun konstruktiver empfinden werden?

    Wenn du möchtest, dass man deine Meinung respektiert und ernst nimmt, dann respektiere du auch die Meinungen anderer. Natürlich alles im angemessenen Ton.
    Wenn du das nicht möchtest, dann immer weiter so. Bringt dann allen Beteiligten nur reichlich wenig.

    Soviel von meiner Seite.

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  5. Ich versuche mich mal kürzer zu halten. Soll ja nicht zum Diskussionsforum ausarten und Meinungen [hier] untergraben will ich längst nicht.

    @Seikre
    Ich glaube wir reden in manchen Bereichen aneinander vorbei. Lies den Blog nochmal. Es geht mir um die Weltfremde Darstellung von Moral. Etwas von dem wir genau wissen, dass es falsch ist, es aber als positiv dargestellt wird oder positiv endet - ohne, dass die Figuren irgendwas dabei lernten. Und vorzugeben was gelernt zu haben oder Vergangenes zu ignorieren, als wäre es nie geschehen, gilt leider nicht.
    Vom dehnbaren Begriff der Moral oder was die möglichen moralischen Spielereien seien könnten, habe ich meines Erachtens nicht geschrieben. Das wäre wieder ein ganz anderes, durchaus nicht uninteressantes, Thema.

    @Sorata
    Gute Einwürfe. Sowohl zum Thema meiner Schreibweise (ich versuche da mehr drauf zu achten, kann jedoch nichts garantieren), als auch der Themenvorschlag.

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