Dienstag, 21. Oktober 2014

"Das erkläre ich dir später" - oder überhaupt nicht

Gemeinhin kennt man ja diese nebulöse Verschleierung von Geschichten: Irgendeine Figur, die über ausreichendes Wissen für Spieler und Protagonisten verfügen sollte, hebt "aus Gründen" den Zensurbalken vor das Sprachzentrum und verschiebt potentielle Informationen zum Allgemeinverständnis auf einen späteren Zeitpunkt. Und "aus Gründen" ist schon sehr treffend formuliert, denn meist existiert tatsächlich keine Begründung hinter dem Schweigen, sondern fußt mehr auf einem zu schluckenden "ist halt so" oder wenn man Glück hat auf "wir haben keine Zeit dafür".
Und dann stellt sich womöglich heraus, dass diese Info aus gerade mal drei Worten besteht. Oder, dass die Erklärung hanebüchener Schwachsinn ist. Oder schlichtweg gar keine Erklärung folgt (entweder weil der Entwickler es vergaß oder die Figur stirbt).

Informationen auf diese Art zu verschleiern, macht ein Spiel nicht mysteriöser, sondern auf mehreren Ebenen unverständlicher (zu denen komme ich gleich).

Gute Gründe


Welche vernünftige Begründung könnte denn existieren, um eine notwendige Erklärung auf später zu verschieben? Selbstverständlich, wenn diese Info nur unter diversen Grundbedingungen einen Wert besitzt. Beispielsweise kann ein Bergsteiger ja am Berg am Effektivsten erklären, wie das Hochsteigen funktioniert. Oder man dem Helden erst dann den Schwertkampf zu erklären braucht, sobald er ein Schwert besitzt. Oft besitzen Erklärungen also nur dann einen inhaltlichen Wert, wenn sie Orts-, und Objekt-gebunden sind.

Spielen weder Orte noch Objekte eine Rolle, könnte die Erklärung dahinter erhebliches Vorwissen benötigen, weswegen eine Figur nicht die Nerven hat dies alles zu erklären (vor allen Dingen nicht einem Fremden). Oder die Figur ist der Meinung, dass unserem Helden die vorhandenen Probleme nichts angehen, weil sie persönlich sind und er sich einfach heraushalten soll. In jedem der genannten Fälle befindet sich jedoch ein wichtiger Aspekt: Es existiert eine Begründung. Und die sollte auch in irgendeiner Form von besagter Figur angesprochen werden. Bitte stets verständlich begründen!

Denkbar wäre auch, dass einer Figur versehentlich (bewusst durch den Ersteller) eine Info herausrutscht, die nun als Frage im Raum herumschwebt. Das könnte passieren, um zukünftige Ereignisse anzudeuten oder dem Spieler einen kleinen Hinweis auf sein nächstes Ziel zu geben, ohne aber die Handlung vorweg zu nehmen. In dem Fall besitzt es also eher einen erzählerischen Nutzen. Und so etwas geschieht wohl eher in einem Dialog zwischen einem Antagonisten und den Protagonisten. Ich kann mir jedenfalls nicht all zu viele sinnvolle Einsatzmöglichkeiten vorstellen.

Und somit kommen wir zu den verschiedenen Ebenen der Unverständlichkeit.

Ist denn jeder Charakter hier dumm?!


Als Spieler fühle ich mich regelmäßig verarscht, wenn keinerlei Begründung für das Schweigen fällt und darüber hinaus auch keine der Figuren auch nur irgendeinen Satz darüber verliert oder mal mit Nachdruck auf die Info besteht.
Im Regelfall sind wir als Helden bzw. Protagonisten die Retter des Tages und benötigen Informationen, um am Effektivsten arbeiten zu können. Und es ist auch meist im Interesse der NPCs, dass ihnen möglichst effektiv geholfen wird.

Es wäre beispielsweise sehr gut zu wissen, weswegen wir hunderte Monster und Leute abschlachten, bevor wir aufbrechen. Oder auch, weshalb wir überhaupt eine lange beschwerliche Reise antreten. Aber nö, meist nehmen "die Helden" ihre Lebensaufgabe einfach so hin, ohne auch nur irgendwas zu hinterfragen oder mitzudenken. Und dann denke ich mir: Die Welt ist verloren, wenn das unsere "Auserwählten" sind und die NPCs kein Interesse daran haben, sie zu unterstützen. So reagieren echte Menschen glücklicherweise nicht. Meist, jedenfalls.

Desinteresse


Es ist ja schön, wenn unsere "Helden" genau wissen was sie zu tun haben und wie die Welt gestrickt ist. Sei es jetzt "aus Gründen" oder wegen ihrer Hintergrundgeschichte. Der Spieler kennt diese und das Worldbuilding nur leider nicht unbedingt und benötigt zusätzliche Informationen.
Bemüht sich aber kein Charakter darum an Infos zu gelangen oder zu geben (je nachdem), zeigt dies ein deutliches Desinteresse seitens der Figuren. Und wenn schon diese (und der Entwickler selbst) kein Interesse an der Problematik haben, wieso sollte der Spieler irgendein Interesse entwickeln?

Wir haben massig Zeit


Besonders toll ist es, wenn Figuren etwas aus vermeintlichen Zeitproblemen nicht erklären, sie aber in diesem Dialog (oder im Anschluss) absolut nichts hetzt. Die stehen noch munter da, erfreuen uns mit einem stupiden Einzeiler und die Welt ist eitel Sonnenschein. Warum erklärt die Figur nicht auf der Stelle, worum es geht?! Gib mir meine Infos!

Die eigenen Zusammenhänge


Wenn der Spieler so spielt und mit allerlei Arten von Informationen berieselt wird, bauen sich in seinem Kopf Zusammenhänge auf, die er völlig automatisch mittels seinen persönlichen Denkprozessen interpretiert. Gemeinhin können ja nicht nur einzelne Worte unterschiedliche Bedeutung besitzen, sondern selbstverständlich auch ein ganzes Wortgeschwader. Wenn Du als Entwickler an einer bedeutenden Stelle versäumst wichtige Informationen herauszurücken, interpretiert jeder Spieler Dein Werk so, wie es ihm persönlich am Logischsten erscheint - aber nicht unbedingt so, wie Du es dir dachtest.
Und am Ende ist das Chaos gewaltig, wenn endlich die Erklärung folgt, sie sich aber nicht in die zusammengereimte Geschichte einfügen will und alles gar noch unverständlicher macht. Das ist dann leider kein Problem des Spielers, sondern Dein Problem als Entwickler. Je früher Informationen mit relevantem Kontext fallen, desto besser kannst du den Spieler auf der von dir beabsichtigten Schiene halten.

Ein Berg an Fragen


Je mehr Fragen die Helden zu stellen haben und deren Beantwortung nach hinten verschoben werden, desto undurchsichtiger wird das Gesamtszenario und desto schwieriger lassen sich diese Plotlöcher überhaupt im Hinterkopf merken. Irgendwann kapituliert der Spieler vor dieser unnötigen Geheimniskrämerei und verliert das Interesse deiner Geschichte überhaupt noch in irgendeiner Form zu folgen. Es ist ja nicht nur so, dass noch mehr unbeantwortete Fragen aufgestellt werden könnten (ob Absicht oder nicht), doch irgendwann hat man einfach keinen Bock mehr sich selbst irgendwelche Zusammenhänge zu spinnen. Da will man ein Spiel spielen und wird statt dessen mit kryptischen Kreuzworträtseln konfrontiert.

Das Gefühl der "Verarsche"


Besonders witzig sind diese ach so geheimen Antworten auf die ominösen Fragen, wenn dahinter irgendwas völlig Banales steckt. Irgendwas, was auf der Hand liegt. Irgendwas, was in einem einzigen kurzen Satz erklärbar gewesen wäre. Damit meine ich nicht mal irgendwelche Fragen, die sich über Zeit durch subtile Darstellungen von selbst beantworten. Sondern eher irgendwas Generisches, was man schon tausendfach woanders gesehen hat. Oder was so rüberkommt, als hätte es keinerlei Kontext zu dem, was bisher geschah.

Es wird nichts erklärt


Es ist total toll, wenn Entwickler selbst vergessen etwas zu erklären. Das passiert häufiger, je mehr unbeantwortete Fragen eingebaut werden. Und vor allen Dingen dann, wenn der Entwickler nicht mal merkt, dass er eine relevante Frage gestellt hat. Worauf hat man dann also hoffnungsvoll gewartet? Plötzlich ist das Spiel vorbei und die wichtigsten Infos wurden nie weitergetragen. Danke Spiel.

Achja, da war ja was


Es kann auch vorkommen, dass der Spieler die ach so mysteriöse Frage schon längst vergessen hat und ihm nach all der Wartezeit im Endeffekt eigentlich am Arsch vorbei geht. Das wars eigentlich auch schon.


Ich habe noch nie ein Spiel gesehen, wo es sinnvoll war eine späte Erklärung zu liefern (außer in den Beispielen, die ich nannte). In den meisten Fällen wird einfach nur versucht einen nebulösen Twist anzudeuten, der im Endeffekt aber weniger spektakulär ist, als er ursprünglich sein sollte, und wodurch nachvollziehbares Charakterverhalten meist auf der Strecke bleibt. Im Großen und Ganzen ist es also eine Nebenerscheinung von Mängeln in den Fähigkeiten von Storytelling und Charakterdarstellung.

Das waren meine heutigen Gedanken.

[MG]

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