Samstag, 21. Juni 2014

Nieder mit Expositionen

Ich hasse Expositionen. Wenn sie mal auftauchen, dann meist in Bomben. Und gerade Anfänger, ja sogar fortgeschrittene Indie-Devs lieben diesen Unfug. Je komplexer das Worldbuilding, desto versuchter sind Entwickler alle Leute wissen zu lassen, wie komplex ihre Welt doch ist und genau das ruiniert das gesamte Storytelling und Charakterdesign.

Was ist "Exposition"?


Stellt euch vor, jede Figur des Spiels spricht in Erklärungen, statt wie ein normaler Mensch zu kommunizieren. Oder eine Figur, die in einem bestimmten Moment nur Erklärungen von sich gibt, damit der Spieler über bestimmte Fakten Bescheid weiß.
Expositionen sind also an den Spieler gerichtete Erklärungen der Hintergrundgeschichte. Klar, das ist nicht immer vermeidbar, manchmal sind dezente Expositionen auch notwendig. In der Regel werden sie aber fehlplatziert und im Übermaß verwendet. Das sorgt für gewöhnlich für einen völlig unnötigen Informations-Overflow. Ich habe bereits in vergangenen Artikeln mehrfach geschrieben, dass so etwas vermieden werden sollte.

Beispiel


Nehmen wir an, wir haben ein Zweiergespann von Soldaten, die seit Jahren gemeinsam arbeiten und nun Nachhause zurückkehren. Sie reisen gemeinsam zu Fuß und erreichen bald ihr Ziel. Davon weiß der Spieler noch nichts. Er sieht nur zwei Soldaten durch einen Wald laufen und folgende Messageboxen.

Astley: "Rick, wir brauchten ganze zwei Stunden um durch den Grauwald zu laufen. Mit all der Ausrüstung, der Garmasianischen Armee auf dem Rücken, war das nicht leicht." 
Rick: "Ja Astley, aber dann können wir unsere Familien in die Arme schließen, die wir seit 2 Jahren nicht sahen. Der Mittelland-Krieg hat uns alle getroffen. Wenn uns nur König Barmalin damals nicht den Krieg erklärt hätte ..."

Wir sind also gerade mal zwei Messageboxen im Spiel und werden schon von Informationen und völlig unnatürlichen Dialogen erschlagen. Was stimmt hier nicht?

(1) Unnötiger Namensfall. Beide reisen lediglich zu zweit und sprechen somit keinen dritten Reisenden spezifisch an. Sie wissen wie sie gegenseitig heißen. Der Spieler weiß anhand der [hier] fett gedruckten Namen, wie sie heißen.

(2) Die Reisezeit interessiert kein Schwein. Rick weiß das auch selbst. Es sollte lediglich dem Spieler aufzeigen, wie groß der Wald ist.

(3) Sie wissen beide wie der Wald heißt. Und der Name ist für den Plot völlig irrelevant. Unnötiger Name-Drop, Info für den Spieler.

(4) Die Nennung des Armee-Namens. Sie wissen beide zu welcher Einheit sie gehören. Unnötiger Name-Drop, Info für den Spieler.

(5) Beide haben die Erfahrung gemacht, dass es nicht leicht war. Es sollte dem Spieler nur aufzeigen, dass der nicht gezeigte Weg beschwerlich war.

(6) Sie wissen beide, dass sie zu ihren Familien zurückkehren. Info für den Spieler.

(7) Sie wissen beide, wie lange sie weg waren. Info für den Spieler und Data-Drop.

(8) Sie wissen beide wie der Krieg hieß. Vermutlich weiß es das gesamte Land. Unnötiger Name-Drop, Info für den Spieler.

(9) Sie hatten all die Zeit um über den Krieg zu sprechen und jetzt, kurz vor dem Ziel, wo alles beendet ist und es endlich vergessen können, müssen sie das Ganze nochmal durchkauen? Was ist das für ein unnatürliches Timing?

(10) Unnötiger Name-Drop des Antagonisten und dem Kriegsbeginn. Wieder mal Info für den Spieler.

(11) Viel zu schnell erzählt! Viel zu viele Infos, innerhalb von kurzer Zeit. Wie soll der Spieler solch einem Stil folgen können?

Ich wünschte solche Dialoge wären ein Extremfall. War aber leider ziemlich akkurat. Entwickler tendieren dahin jeden Krümel ihres Worldbuilding offenzulegen, wo immer es möglich erscheint.
Schauen wir mal, wie man es besser machen könnte. Selbe Ausgangssituation: Spieler weiß von nichts.

Astley: "Das war ein langer Marsch. Ich bin froh, dass wir gleich Zuhause sind. Ich habe meine Familie wirklich vermisst" 
Rick: "Wem würde es nicht so gehen? Nach all dem Mist bin ich froh, wenn wir wieder ein normales Leben führen können. Du weißt schon, mit Frau, Kind und endlich wieder was Hausgemachtes." 
Astley: "Oh Mann, ich kann die dampfenden Kartoffeln jetzt schon riechen. Vielleicht bekomme ich ja bald diesen ekelhaften Blutgeruch aus der Nase." 
~Kunstpause~ 
Rick: "Sie werden uns über den Krieg ausfragen. Ganz sicher. Aber über was will man nach all den Jahren sonst erzählen?" 
Astley: "Keine Ahnung. Vielleicht lassen wir lieber unsere Damen von sich plaudern und spielen mit den Kleinen? Ich meine ... irgendwo müssen sie ja auch Verständnis zeigen. Hoffe ich."

Klingt doch schon wesentlich natürlich und einfühlsamer. Die Erzählgeschwindigkeit wurde auf ein nachvollziehbares menschliches Maß reduziert, wir haben alle notwendigen Informationen, ohne auf fehlplatzierte Name-Drops zurückgreifen zu müssen. Die Dialoge gehen ineinander über, es scheint die Figuren denken auch über ihre Aussagen nach.
Sollten noch weitere Informationen Relevanz besitzen, können die auch in späteren Sequenzen dargestellt werden. Es muss nicht alles sofort dargelegt werden und es darf auch öfter angesprochen werden, wenn es für die Figuren besondere Bedeutung besitzt.

[NACHTRAG] Nemica hat den ersten Dialog auch nochmal in eine natürlichere Variante umgeschrieben, ohne auf die meisten Infos zu verzichten. Vielen Dank!

Astley: "Der Wald macht seinem Namen alle Ehre. Nichts als grau, grau, grau-" 
Rick: "Willst du mir die nächsten zwei Stunden damit auf die Nerven gehen? Es Reicht schon, dass wir das ganze Zeug hier mitschleppen, da brauche ich nicht auch noch dein Gejammere." 
Astley: "Wenigstens ist unser Einsatz vorbei. Endlich können wir wieder nach Hause. Es kommt mir wie eine halbe Ewigkeit vor..." 
Rick: "Zwei Jahre SIND eine halbe Ewigkeit. Ich freue mich schon, wenn ich meine Familie wiedersehe." 
Astley: "Wirklich? Also ich seh's ja schon kommen: 'Bleib nicht zu lange in der Kneipe, Rick. Hilf mit mit der Wäsche, Rick. Du kannst gleich wieder zurückg-'" 
Rick: "MAUL, ASTLEY! Zwei verdammte Jahre Krieg nur wegen dieser Sackratte von König reichen wohl nicht. Jetzt krieg ich auch noch deine dämlichen Sprüche an den Kopf!" 
Astley: "Woah. Beruhig dich doch mal. Ich hab dir nix getan." 
Rick: "...tut mir Leid. Ich kann nur nicht wirklich gauben, dass es vorbei ist." 
Astley: "Das kann keiner..."

Die zwei sollten sich einfach nicht aufgeben und sich nicht hängen lassen, gell?
Nemica gab den Beiden nun jedenfalls eine Persönlichkeit und ein Diskussionsszenario, welches ihre Informations-Ausstöße argumentiert. Das geht auch! Es klingt nun wie ein natürlicher Dialog zwischen zwei Leuten.

Unnötige Exposition vermeiden


Exposition ist dann in Ordnung, wenn es durch einen Erzähler benutzt wird, damit der Spieler eine grobe Vorstellung bekommt, in welchem Szenario er sich befindet. Oder z.B. wenn ein General vermittelt, wie die Sachlage aussieht. Oder etwas aus einem Geschichtsbuch vorgelesen wird. Oder wenn Leute unter Zeitdruck stehen (z.B. eine Bombe explodiert gleich) und es muss ein schneller Info-Austausch geschehen. Oder wenn Charaktere explizit nach einer Exposition fragen. Solche Arten halt, doch auch diese sollten möglichst dezent sein, denn Info-Dumps sind Info-Dumps, egal unter welchen Bedingungen.

Haltet Expositionen aus zu erwartend natürlichen Dialogen zwischen lebenden sprachfähigen Wesen raus (um auch andere Fantasie-Rassen oder Dämonen mit einzubeziehen).

Exposition lässt sich freilich durch Weglassen von unnötigen Informationen bewerkstelligen, während nur relevante Infos, passend zur aktuellen Situation angesprochen werden. Informationen können auch über Interpretation für den Spieler eingebracht werden, wodurch sie nicht direkt genannt werden.

Harte Fakten können auch außerhalb von Dialogen eingebracht werden. Wie über Bücher, Banner, Beschreibungen von Items oder Einblendungen von [Orts-]namen.

Visualisiert euch die Dialoge im Kopf. Also stellt euch die handelnden Personen vor, wie sie miteinander sprechen. Dann sollte klar herausstechen, wenn eine Info-Bombe fiel und ob sie wirklich zur Situation passt. Ich kann die Wichtigkeit von Visualisierung immer wieder nur betonen.



So gern ihr das auch hättet, aber in der Regel interessiert der Spieler sich nicht für die Komplexität eurer Welt (Gegenwart und Vergangenheit der Welt oder von Charakteren). Dass Komplexität existiert, sollte nicht Anhand von Expositionen deutlich werden, sondern anhand des derzeit geschehenden Storytellings und den vielen kleinen aufkommenden Details in Sprache und Bild.

Ich wünschte, Entwickler würden sich endlich mal Zeit dafür nehmen, anstatt das gesamte Geschehen in weniger Textboxen quetschen zu wollen, damit die Vollversion bald fertig wird. Dadurch entstehen keine schönen Geschichten, sondern robotische Zusammenfassungen.

Das waren meine heutigen Gedanken.

[MG]

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