Donnerstag, 22. Mai 2014

Natürliche Dialoge

Die Schreibung natürlicher Dialoge scheint in vielen Spielen ein gewaltiges Problem zu sein, obwohl die Forderung recht simpel erscheint: Lasse Figuren natürlich miteinander interagieren. Doch da haben wir wieder das fett hervorgehobene Wort, welches undefiniert bleibt und, seien wir ehrlich, abhängig von der Person, eine völlig andere Bedeutung besitzen kann: Während sich Leute über Stunden über alle möglichen Themen unterhalten können, winken Andere wieder nach wenigen Sätzen ab weil sie nicht in Gespräche interessiert sind. Was bedeutet also eigentlich "natürlich", in dem geforderten Kontext?

In Spielen oder allgemein Unterhaltungsmedien, ist die Forderung nach realistischen Dialogen unangemessen. Der Spieler muss unterhalten und das Gameplay nicht zu lange gestoppt werden, wodurch Informationen auf eine kürzere Zeitspanne zusammengerafft oder ausgelassen werden müssen. Figuren müssen innerhalb kurzer Zeit (oder verteilt über das Spiel) ihre Gefühle, ihre Anliegen und Persönlichkeit verständlich ausdrücken und zudem die Handlung und Ereignisse weitertragen, während sie innerhalb ihrer eigenen Charakteristika angemessen auf örtliche Ereignisse reagieren müssen.

Bei diesen [hoffentlich selbstverständlichen] Forderungen ist es nicht wirklich verwunderlich wenn Fehler auftreten können - sofern sich der Entwickler überhaupt diesen Forderungen bewusst ist. Und hier kommt ein witziges Phänomen zum Tragen: Der Protagonist darf stumm bleiben. Man mag es auf Spiele wie "The Legend of Zelda" schieben, den Protagonisten schlichtweg als Avatar des Spielers zu wählen, doch - um beim Thema zu bleiben - man beachte die daraus resultierenden Änderungen von Dialogen: Bis auf einfache Entscheidungen wie Ja/Nein, muss plötzlich der NPC für den leeren Content des Spielers aufkommen und entsprechend reagieren. Doch die Figur ist nicht wirklich stumm, sie transportiert trotzdem ihren Willen (z.B. Weltrettung) weiter und drückt ihre Persönlichkeit vor allen Dingen durch das Gameplay und somit die Aktionen aus. Auch Mimiken helfen sehr weiter, die Gefühle einer solchen Figur zu beschreiben.
Ist also Link ein Beispiel für gute natürliche Dialoge, wenn er nicht aktiv spricht? Sofern seine Umgebung angemessen und glaubwürdig auf seine Taten reagiert: JA, absolut.

Dialoge sind also, wie hoffentlich aus dem Beispiel erkennbar, nicht alleine auf Messageboxen beschränkt. Der Dialog mit der Umwelt ist nicht abgeschottet vom tatsächlich Gesprochenen und sollte es auch nicht. Das gilt vor allen Dingen dann, wenn sich eine zweite Figur in die Party begibt. Erneut könnten wir davon ausgehen, unser Protagonist wäre stumm, doch daraufhin muss die zweite Figur in irgendeiner Form alles übernehmen, was unser Held nicht kommentiert, da wir diese Figur schlichtweg nicht sind. Doch diese Figur kann sehr schnell sehr nervig werden, da sie dazu tendieren nicht die Klappe zu halten und es erst recht frustriert, wenn der Protagonist nur stumm daneben steht und sich bequatschen lässt, als wäre er ein Kleinkind ohne eigenes Selbstbewusstsein oder Meinung. Das ist die Schattenseite solcher Szenarien - falsch angegangen.

Alle beteiligten Figuren sprechen zu lassen, ist also weitaus weniger haarsträubend und verpasst dem Protagonisten obendrein eine aktive Persönlichkeit, die er durch Worte ausdrücken darf. Nun gut, er muss sie ausdrücken. Nun haben wir nämlich die Kehrseite des genannten Szenarios: Was ist, wenn wir mehrere Partymitglieder haben und im Wesentlichen Niemand etwas sagt? Dann haben wir stumme, völlig unglaubwürdige, langweilige Zombies, die alle völlig gleich sind, die keine Meinung zu dem Geschehen um sich herum haben.
Bloß gut, dass mir völlige Stummheit bei mehreren Partymitgliedern noch nie unterkam. Was jedoch öfter vorkam, ist ein Mangel an Dialogen, der keinen Schluss darüber zulässt mit was für Personen wir es zu tun haben, die nichts von sich erzählen und nur den Mund öffnen, wenn die "Quest" es erfordert, um selbige Quest zu erfüllen oder zu kommentieren. Das ist unzureichend und nicht natürlich.

Nach all dem Getanze um das Thema: Wie kann ich nun natürliche Dialoge erzielen?

Natürlich erst einmal mit natürlichen Figuren.
Eure Helden besitzen eine gewisse, ihnen zugeschriebene Persönlichkeit. Diese können weitläufig sein, wie auch die Persönlichkeit echter Menschen. Darin fließen mitunter ihre Lebenserfahrungen, gewohnter Sprachstil, Hobbies, Alter und Altersunterschiede, Bildung und Wissensschatz oder auch Herkunft ein. Nun ist mir leider nicht bekannt, ob es jedem möglich ist sich in die Haut anderer Personen (oder einer Figur die er selbst erschuf) zu versetzen, doch unter der Annahme es könne jeder: Tue es! Und tue es oft, um deine Figuren charakterlich zu entwickeln und ein Gefühl für sie zu bekommen. Du sollst irgendwo fähig sein, in deinem Kopf, einen völlig alltäglichen Dialog zwischen deinen Figuren und der Umwelt stattfinden zu lassen. Versetze sie auch in völlig chaotische oder unmögliche Szenarien und lasse sie agieren.

Neben diesem Kopfkino, was sehr bei der Charakterentwicklung hilft, stehen jedoch noch die spielerischen Aspekte im Vordergrund:

  • Werfe dem Spieler nicht zu viele Informationen und Namen um den Kopf, reduziere also den Informationsgehalt auf ein Minimum, aber immer noch so viel, dass der Spieler darüber Bescheid weiß, was los ist.
  • Die Figuren besitzen irgendeine Form von Moral. Wenn etwas Grauenhaftes passiert, lasse sie das auch ausdrücken. Es langt für gewöhnlich nicht einfach nur zu schreiben "Oh das ist aber schrecklich" und das Spiel geht weiter. Bestimmte Ereignisse bedürfen einer angemessenen Länge um diese zu unterstreichen oder als wichtig zu untermalen.
  • Auch wenn schon zuvor genannt: Lasse die Figuren miteinander interagieren und alle sprechen. Stumme Figuren ohne Meinung sind genauso gut, wie keine Figuren.
  • Dialoge benötigen mehr Inhalt, als mindestens erforderlich um das Spiel gerade so vorwärts zu treiben. In Dialogen können z.B. Anmerkungen über Belanglosigkeiten stehen, die aber halt gerade eine Figur beschäftigt. Das macht sie natürlicher, echter, glaubwürdiger. "Belanglosigkeiten" oder alltägliche Dialoge, gehören nicht zur zu vermeidenden Informationsflut (siehe Punkt 1).
  • Charaktere müssen sich charakterlich und in ihren Meinungen unterscheiden, um einen gehaltvollen und interessanten Dialog zu schreiben. Wenn alle gleich sprechen und die selbe Meinung haben, sind sie uninteressant, seelenlos und austauschbar (bitte unbedingt vermeiden!).
  • Charaktere wissen nicht mehr, als sie wissen können. Und sie können eventuell auch nicht richtig zuhören, stehen auf dem Schlauch, verstehen den Kontext nicht oder besitzen eine andere Art zu denken. Lasse sie also, wenn du selbst merkst, dass dies zum Charakter in der entsprechenden Situation passt, nochmal Fragen stellen oder entsprechende Anmerkungen machen. Geschickt gelöst, kannst du so auch die Wichtigkeit einer Sache nochmal für den Spieler betonen.
  • Verschiedene Charaktere harmonieren unterschiedlich gut miteinander. Doch wie auch immer, sie müssen für das Spiel miteinander interagieren. Können sie sich also nicht besonders gut leiden, müssen aber gemeinsam reisen, müssen sie auch zukünftig irgendwie miteinander auskommen und sprechen. Vermeide Stillschweigen, denn das bringt keine Charakterentwicklung mit sich und wirkt inhaltlich "leer" und uninteressant. Ist die Chemie zwischen den Figuren schlecht, lasse sie das also auch ausdrücken.
  • Schrecke nicht davor zurück erhebliche Einschnitte in die Handlung vorzunehmen. Wenn beispielsweise eine Figur einfach nicht mehr mit den Anderen zusammenarbeiten kann (diverseste Gründe) könnte sie auch die Party verlassen oder deren Arbeit "sabotieren", woraus sich diverseste Folgen für Figuren und Handlung entwickeln. Das echte Geschehen und Interaktionen zwischen den Charakteren sollten also, wie in diesem Beispiel, untrennbar zusammengehören.
  • Ausgeweitete aufwändigere Sequenzen können viele Szenen und Dialoge besser unterstreichen, als die gesamte Handlung einfach nur in Messageboxen abzuhandeln und die Partymitglieder in der Hosentasche verschwinden zu lassen (siehe auch Punkt 2). Figuren können herumlaufen, sich drehen, bzw. sich umsehen (Dialog mit der Umwelt)
  • Deine Partymitglieder sollten in irgendeiner Form charismatisch sein oder nachvollziehbare Beweggründe für ihr Handeln und Aussagen besitzen. Niemand will grundlos nervige oder hasserfüllte Figuren in der Party, auch weil diese erfahrungsgemäß nicht so leicht wieder verschwinden. 
  • Vermeide stichpunktartige Dialoge.
  • Deine Figuren "dürfen" dumme Dinge sagen und Fehler machen, selbst wenn es ihnen nicht bewusst ist
    NACHTRAG WEIL VERGESSEN:
  • Außenstehende NPCs (zB das Bauernvolk) ist vom obig genannten nicht ausgeschlossen. Allerdings dürfen sie etwas arger überzeichnet sein, da ihre Persönlichkeit auf noch kürzere Zeit untergebracht werden muss. Sie dürfen auch witzig sein oder seltsame Eigenheiten besitzen. Auch auf diese Figuren müssen unsere "Helden" menschlich reagieren, wie auch auf sich gegenseitig.
Ich denke das sollte einen relativ guten Überblick über DOs und DON'Ts natürlicher Dialoge geben. Zumindest so wie ich sie mir wünschen würde. Ein fantastisches Beispiel für Dialoge ist übrigens "Die Gräfin und die Spinne" (siehe hier bei Koshirano).

Das waren meine heutigen Gedanken.

[MG]

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