Montag, 5. Mai 2014

Intuitive Tutorials und Spielerführung

In meinem heutigen Developer-Stream (Link zur Aufnahme) arbeitete ich an der Einrichtung des Kellers, im Einleitungsabschnitt meines Spiels, und fragte in die kleine Runde, was denn erfahrungsgemäß in einen Keller gehören könnte. Unter einigen mehr und weniger brauchbaren Ideen (wobei die weniger Guten aufgrund grafischer Limitationen ausgeschlossen wurden), fanden sich auch manche Objekte, die zwar faktisch in einem Keller vorkommen, sich jedoch effektiv mit den Gesichtspunkten als Videospiel beißen, den Spieler unnötig irritieren und von einem spezifischen spielerischen Zweck des Raumes weglenken könnten. Das Spielgefühl besitzt stets die oberste Priorität - Punkt um.

In dem Zusammenhang, mit den frischen Gedanken, möchte ich an dieser Stelle ein wenig über die gezielte Spielerführung / Spielerlenkung sprechen, welche selbstverständlich nicht nur über Objektplatzierung funktioniert, sondern auch der aktiven spielerischen Darbietung und den Aufgaben, die der Entwickler bereitstellt. Es ist ein nicht gerade kleines Thema, denn es spaltet sich in viele Gesichtspunkte auf, wovon ich mir den - meiner Ansicht nach - wichtigsten Oberbegriff herauspicke: Lernphase.

Was heißt das? Nun, als Entwickler möchte ich, dass der Spieler mein Werk bestmöglich versteht, um nach seinen Regeln zu handeln. Ein Spieler geht für gewöhnlich zu Beginn mit zwei Einstellungen voran: Erwartungshaltung (aka "Ich müsste ungefähr wissen wie das hier abläuft") und Unwissen (aka "In Wirklichkeit habe ich aber keine Ahnung").
So weiß z.B. jeder wie Rollenspiele im Wesentlichen funktionieren, dass LevelUps Erfahrungspunkte benötigen, welche Tasten gedrückt werden müssen und er kennt womöglich die gängigen Klischees. Genauso auch bei Horrorspielen: Ich muss wahrscheinlich eine unbestimmte Zahl an Zetteln suchen, Rätsel auf dem Weg lösen und zu gegebener Zeit verfolgt mich ein Monster. In dem Sinne denkt der Spieler, er kenne dein Werk bereits und du musst ihm bestimmte Elemente nicht mehr beibringen.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf, kannst du ihn jedoch genauso mit dem Unwissen über die wahre Natur des Spiels wunderbar lenken und erfrischen, indem du ihm zeigst, wie dein Gameplay anders funktioniert [...]

Ja. Das Gameplay. Ich weiß, viele Entwickler bilden sich ein, ihre Story wäre was Anderes, was völlig Neues, etwas Tiefgründiges. Vielleicht, aber es macht das Spiel nicht besser oder anders, sondern nur dann, wenn "Plot" geschieht - und das trifft nur kurzzeitig zwischen den vergleichsweise langen Spielabschnitten auf. Was verbessert und verändert gehört ist das Gameplay. Also wie sich das Game spielt.

[...] Und somit kommen wir zu einem unfassbar wichtigen Punkt, der nur selten beachtet zu werden scheint: Die Lernphase findet immer statt. Und deswegen sind aktive, um die Ohren geschlagene, Tutorials meist nicht notwendig, weil die Spielregeln auch spielerisch beigebracht werden können, was sowieso besser im Gedächtnis bleibt. Tutorials tendieren dazu unnötig komplex zu werden, was ein fataler Fehler ist. Spieler müssen langsam, Schritt für Schritt, gelehrt werden, damit sie nicht von Informationen erschlagen werden und zwischendurch einfach den Kopf abschalten. Genauso schmeißt man den Spieler nicht mit zig neuen Charakteren oder Begriffen zu - er wird sie sich nicht oder falsch merken.

Die permanente Lernphase ist definitiv eine gute Sache. Sie ist intuitiv, mach dem Spieler meist Spaß und erfordert richtig angegangen wenig Aufwand (und wird meist nicht als "Tutorial" empfunden), sofern einfach nur auf ihre permanente Aktivität geachtet wird. Und genau dies, ist gleichzeitig auch ein Problem: Dem Spieler können unbeabsichtigt falsche Lehren vermittelt werden, was ein gewaltiger, weit verbreiteter Anfängerfehler ist. Um das zu visualisieren möchte ich ein paar Beispiele geben:

  • Ich spiele derzeit ein RPGM-Spiel namens "The Prophecy of Sartos", welches einem eindeutig vermittelt, dass dem Spieler eine Limit-Attacke freigeschaltet wird, wenn seine HP auf einen geringen Wert fallen. Das ist jedoch effektiv falsch. Die Limit-Attacke wird scheinbar alle paar Runden automatisch aktiviert, gleichgültig wie viele HP vorhanden sind. Hier wurde nicht auf die Kontinuität der Ereignisse geachtet.
  • Gleichbleibende Spielregeln sind wichtig. In einem anderen Spiel erlebte ich, dass Löcher und Schluchten willkürliche Regeln besitzen. Entweder man wird von ihnen geblockt, fällt runter oder kann über sie springen. Was soll ich als Spieler jetzt als korrekt empfinden? Es wäre u.A. wichtig zu wissen, was mich sofort tötet, wenn offensichtlich kein Indikator für den Ausgang dieser Interaktion existiert.
  • Nehmen wir an, über längeren Zeitraum wird die Mechanik eingeführt, dass ein bestimmter Gegner in Kombination mit einer bestimmten Waffe, sofort stirbt. An irgendeinem Punkt wird jedoch erwartet, dass selbiger Gegner mit selbiger Waffe angegriffen wird, damit er sich in einen Stein verwandelt um ein Rätsel zu lösen. Wer soll auf so etwas kommen, wenn die Erfahrung daran scheitert?
Sagen wir einfach: Verarsche den Spieler auf Gameplay-Ebene nicht, okay? Bringe dem Spieler über konsistente Regeln bei, wie dein Spiel funktioniert. Auch optische Unterschiede können hierbei helfen, um automatisch die richtige Lösung zu finden.

Beispiele:
In vielen 2D-Zelda-Teilen, besitzen manche Löcher eine sichtbare Textur oder man sieht das untere Stockwerk. Das indiziert, dass man in diese Löcher springen kann, ohne es dem Spieler direkt sagen zu müssen. Oder ein ausgedachtes Beispiel, welches sich am dritten Beispiel (siehe oben) orientiert: Bauen wir einen Raum, in dem es kein Weiterkommen gibt, jedoch ein deutlich umgefärbter, jedoch bereits bekannter Gegnertyp steht. Und dieser reagiert mit unserer Primärwaffe oder einem neuen Objekt, welches wir in diesem Dungeon erhielten. Wir probieren also instinktiv aus, was mit dem los ist und kommen somit auf die Lösung des Rätsels.
Das ist intuitives Design. Dem Spieler optisch, Schritt für Schritt und ohne Worte beibringen, wie dein Spiel funktioniert. Das ist es, was ihr anstreben wollt. Immer.

Und somit komme ich zum, meiner Ansicht nach, schwierigsten Teil des Ganzen: Intuitive Spielerführung.
Sowohl die permanente Lernphase, als auch Erwartungshaltung und Unwissen spielen in dieses hinein. Es sollte nicht missachtet werden, auch wenn die Absicht dahinter durchaus optional ist, jedoch bei Einhaltung ein völlig anderes Spielgefühl bietet und den "Flow/Fluss" verbessert. 
Im Wesentlichen wird bei der intuitiven Spielerführung versucht, den Spieler durch diverse unterschwellige Mittel in die Richtung zu locken, in welche ihr ihn gehen sehen wollt. Gleichzeitig wollt ihr verhindern, dass er falsche Annahmen trifft. Der Spieler soll sich als Sieger, durch seine eigene Interpretation und Analyse fühlen, ohne alles vorgekaut zu bekommen (denn das vermittelt den Eindruck, das Spiel denke man wäre als Spieler unfähig und doof). Es ist ein Spiel mit der menschlichen Psyche, die eine gewisse Kapazität besitzt und nur eine begrenzte Menge Informationen verarbeiten kann und oft die erste Information als Wichtigste einstuft.

Achtet auf Folgendes:
  • Einzeln stehende Objekte stechen heraus und wirken wichtiger, als könne man mit ihnen interagieren. Das gilt vor allen Dingen dann, wenn sie mittig im überschaubaren Raum platziert sind oder am Ende eines langen Weges. Allgemein wird erwartet, dass sich am Ende von Wegen irgendetwas befindet (schließlich hat der Weg ja einen Grund, oder?).
  • Einmalige Farben von Objekten oder Lichtern stechen heraus. Ebenso, wenn die Farbe des Objektes (zB einer Truhe) sich von den bisherigen identischen Objekten unterscheidet. Spieler wollen zu diesen Objekten/Orten. Auch Objekte mit einer deutlich unterschiedlichen Grafik (Helligkeit, Kontrast, Konturen) werden anders interpretiert und können als "Besonderheit" verstanden werden. Wenn ihr das nicht wollt, vereinheitlicht eure Grafiken.
  • Markierungen von Hauptwegen (bzw. dem richtigen Weg), führt oft dazu, dass diese Wege nicht gegangen werden. Spieler wollen die sichtbare alternative Umgebung oder andere sichtbare Räume erkunden, um Secrets oder andere wichtige Utensilien zu finden. "Unsichtbare" alternative Wege, werden hingegen übergangen.
  • Markierungen, blinkende Hinweise und markierte NPCs sorgen dafür, dass der Spieler nur noch mit diesen Objekten/Personen interagiert und den Rest meist ignoriert.
  • Von bestimmten Objekttypen wird eine Interaktion erwartet. Bringe dem Spieler frühzeitig bei, was möglich ist und was nicht. Beispiel aus Secret of Evermore: Vasen und Töpfe sind immer durchsuchbar.
  • Reduziere deine Informationsmenge auf ein Minimum, gleichgültig ob Nacherzählung oder Dialog. Fakten sind hierbei die größten Killer (Namen, Ereignisse, ...). Beachte, dass der Spieler nicht über dein Wissen verfügt und die Infos nicht als so selbstverständlich hinnimmt, wie du.
  • Gib dem Spieler die Möglichkeit seine neuen Fähigkeiten auszuprobieren (zB Bomben), damit er grundlegend versteht wie dieses funktioniert und mit was es interagieren kann. Einbahnstraßen oder ominöse "Markierungen" am Ort des Einsatzes, nachdem er die Fähigkeit erhielt, helfen sehr (zB sichtbar brüchige Wände, bei Bomben). Es ist auch vorteilhaft solche "Markierungen" schon viel früher ins Geschehen zu werfen - denn wenn sofort erkennbar ist was gebraucht wird und diese Idee im Hinterkopf verbleibt, ist das perfekt.
  • Lass den Spieler erkunden, wenn er erkunden will und ziehe entsprechende Konsequenzen aus seiner Neugier: Belohne ihn oder zeige ihm, dass er an einem Ort bald weiter kommen könnte, ihm aber noch etwas aus seinem Abenteuer fehlt um das zu bewerkstelligen (selbe psychologische Wirkung wie im vorherigen Punkt, plus der Spieler fühlt sich als hätte er etwas entdeckt und fühlt sich belohnt).
    Es ist nicht anzuraten der Figur ein "Bauchgefühl" zu geben, dass sie noch nicht weitergehen sollte, wenn kein Grund dafür existiert.
  • Übertreibe es nicht mit Hinweisen. Der Spieler soll das Gefühl bekommen, er hätte die Kontrolle. Spieler fühlen sich verarscht, wenn man sie mit immer der gleichen Info bombardiert. Er versteht den Wink auch beim ersten Mal (Aber: Spielerisch fest integrierte Hinweise sind vorteilhaft. Questlogs, wo man alles nochmal nachlesen kann, vor allen Dingen wenn man nicht am Stück spielt und somit den Faden verlieren könnte!)
  • Spieler verlieren das interesse, wenn sie nichts zu tun haben. Ein Spiel ist schließlich kein Buch oder Film. Interaktivität ist wichtig um Spieler bei Laune zu halten, also gib ihnen die Kontrolle und somit etwas zu tun.

Es lassen sich noch viele Punkte hinzufügen, doch ich denke diese sind in einem anderen Blogeintrag besser aufgehoben. Ich will euch ja nicht mit zu vielen Informationen überfordern ;)

Das waren meine heutigen Gedanken.

[MG]

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