Samstag, 14. Juni 2014

Lebenserwartungen im Videospiel

In unserem Leben existieren viele selbstverständliche Dinge, die wir uns nicht wegdenken können und die vermutlich "nie" verschwinden werden. Gegebenheiten wie die Selbstverständlichkeit, dass alle Menschen unterschiedlich sind; ein grundsätzliches menschliches Bedürfnis nach Logik und Zuneigung existiert; dass wir Emotionen besitzen; dass unsere Taten im Leben stets Folgen für uns und die umgebende Umwelt mit sich bringen. Wir suchen nach roten Fäden im Leben, interagieren viel mit anderen Menschen, können uns anfreunden, uns gegenseitig nicht leiden und wissen eigentlich grundsätzlich was Freundschaft ausmacht und wie Konflikte entstehen können.
Und selbst wenn die Lebenserfahrung noch nicht ausreicht um einige Aspekte beurteilen oder große Debatten darüber führen zu können, sollte jeder fähig sein zumindest von sich selbst auszugehen - angefangen von so einfachen Dingen wie "Was du nicht willst, das man dir tu', das füg auch keinem anderen zu". Und meist können wir auch nichts Anderes, als von uns selbst auszugehen.

Grundsätzlich besitzen wir also diese Erwartungen an unsere Umwelt. Wir kennen darüber hinaus auch einen Teil der Geschichte - beispielsweise wie es im Mittelalter war, wie sich einst Sprachen verhielten und gediehen. Auch wenn wir als "Normalbürger" die Details nicht kennen, genügt doch schon das Wissen, dass selbst in einem Fantasy-Setting, das wir uns selbst aus der Nase zogen, nicht alles so ablaufen kann wie in unserer Realität, sondern wahrscheinlich eher ein Mittelalter-Setting Bedeutung gewinnt (jedenfalls von den meisten RPGs ausgegangen).

Worauf ich jedenfalls hinaus will ist, dass grundsätzlich Erwartungshaltungen an eine natürliche Umwelt, im passenden Setting existieren. Und trotz der zahlreichen Vorgaben, der zig quasi identischen Szenarien (Mittelalter, Drachen, Dörfer, Könige, Magie,...) bekommen es einige Leute nicht einmal hin so grundsätzliche menschliche Anforderungen wie Logik oder ein menschliches Miteinander umzusetzen, ganz gleich wie simpel das Szenario ist. Es mangelt bei vielen Indie-Spielen an notwendigen Erklärungen, im richtigen Moment.

Spieler sollten nicht einfach runterschlucken, was ihnen vorgesetzt wird - und das tun sie auch nicht, was man als Entwickler beachten sollte. Im ersten Moment, wo der Spieler nicht versteht was vor sich geht, zieht er seine eigenen Schlüsse. Er sucht nach einem roten Faden, ergo nach Logik. Das kann absolut funktionieren, wenn das Storytelling so dermaßen gewitzt ist, dass die Schlussfolgerung nur korrekt sein kann, bzw. die Antwort bereits irgendwo unterschwellig angedeutet wurde.

Es ist unglücklich den Spieler im Dunkeln tappen zu lassen, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Was macht der Mensch in seiner Umwelt, wenn er etwas nicht versteht? Er fragt nochmal nach oder erkundigt sich anderweitig. Oder ihm fällt erst später auf, dass er nicht hundertprozentig verstand was eigentlich gewollt war und ist nun verwirrt, also muss eine Lösung her. Diese Reaktionen sollten von den handelnden Figuren erfolgen, wenn klar ist, dass die entsprechende Figur eine Information nicht einfach fraglos schlucken sollte. Das ist logisch, menschlich und das Wichtigste: Der Spieler kann diese Reaktionen nachvollziehen - weil er ein Mensch ist und die Figuren selbst auch Menschen darstellen sollen.

Wieso sollte man den Spieler selbst nicht im Unwissen in bestimmten Situationen lassen? Beispielsweise, weshalb eine bestimmte Mission zu erfüllen ist oder was Organisation "XYZ" ist, während die Protagonisten darüber völlig Bescheid wissen und es nicht erklären brauchen?

Mehrere Gründe:

(1) Es lenkt ab. Wird im gesamten Dialog nicht eine wichtige Schlüsselfrage geklärt, verfolgt es den Spieler den gesamten Dialog (bzw. Sequenz) über und er erfasst andere wichtige Informationen nicht mehr. Quasi ein Info-Overkill. Außerdem kann der Spieler selbst nicht nachfragen, weil er nur der Spieler ist, wie es sich mit Dingsbumms XYZ verhält. Vor allen Dingen in Sequenzen, in denen der Protagonist nicht einmal anwesend ist, der Spieler die Sachlage aber dennoch erfassen muss. Das gilt nicht nur für das gesprochene Wort.

(2) Der Main-Protagonist, selbst wenn eine gleichwertige Protagonisten-Party existiert, ist immer Identifikationsfigur des Spielers. Deswegen ist es notwendig Spieler und Hauptfigur auf eine ähnliche Ebene zu stellen und somit auch die Spielfigur nicht wesentlich mehr wissen zu lassen, als den Spieler. Es ist deswegen absolut nicht ungewöhnlich, wenn Protagonisten eine Amnesie erleiden oder in Situationen geraten, die selbst für sie völlig neu sind, damit es ihnen und somit dem Spieler erklärt wird.

(3) Verlust von Interesse am Geschehen, sofern derartige Nichterklärungen häufiger auftreten, das Spiel wird langweilig und wirkt oberflächlich. Warum sollte sich der Spieler noch um irgendein Ereignis kümmern, wenn eh nichts erklärt wird und statt dessen immer neue Fragen aufgeworfen werden, die nicht an zwei Händen abgezählt werden können? Es ist okay nicht sofort alles zu beantworten, jedoch sind Verständnisfragen stets so früh wie möglich zu klären. Dazu gehört vor allen Dingen ein Mindestmaß am Verständnis des jeweils relevanten Weltgeschehens - also die Welt direkt um den Protagonisten und somit den Spieler herum.

Ich halte Informationsvorenthaltung für einen der größten Schreibfehler den man machen kann. Das zigste "Mysteriöse welches im Dunkeln bleibt" hebt keine Spannung, sondern nervt! Es nervt vielleicht weniger, wenn zwischendurch mal etwas verständlich erklärt wird und man sich der Wahrheit langsam nähern kann. So etwas erzeugt dann wieder etwas Spannung. Doch wenn das Geheimnis nur darin lag, dass ein Dämon mal wieder die Welt erobern will oder der Protagonist der "Außerwählte" ist, war der Aufriss ziemlich vorhersehbar, unnötig und unnötig verwirrend.

Gib dem Spieler einfach so viel Mindestverständnis über seine Umwelt und das Machen und Schaffen, wie er als echter Mensch in einem spezifischen Szenario benötigen würde. Nicht nur einmal, sondern immer. Doch nicht nur der Hauptfigur, sondern auch anderen Figuren drumherum. Denn sie sind der Ersatz für "echte Menschen" und sollten so handeln, wie sie als Menschen, mit ihrer jeweiligen Charakteristika und Wissensschatz handeln würden. Das ist notwendig um sich in ein Spiel hineinversetzen zu können, um mit Figuren mitzufühlen, mit ihnen zu leiden, mit ihnen zu lachen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen.

Ich erwarte keine sofortige Aufschlüsselung von Plotpunkten. Ich erwarte nicht zu wissen, wie der Plan eines Antagonisten aussieht. Was die Figur nicht wissen kann, braucht auch der Spieler nicht wissen. Und in stark Gameplay-getriebenen Spielen braucht man sogar viele andere Infos nicht - aber von denen schrieb ich heute nicht. Mir ging es heute um so tolle Indie-RPGs, die sich damit rühmen wollen, eine ach so tolle Geschichte zu besitzen. Sorry, aber das ist in grob 99 von 100 Fällen nicht der Fall.

In diesem Artikel wollte ich tausend Themen auf einmal verfassen (da mir ständig neue Themen einfallen), ergo entschuldige ich mich wenn meine Gedankenauflösungen eventuell nicht zu Ende geschrieben wirken. Ursprünglich sollte der Artikel auch von etwas Anderem handeln. Nichts desto trotz, waren das meine heutigen Gedanken.

[MG]

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