Samstag, 19. Juli 2014

NPCs: Die lebenden Toten

Wann war das letzte Mal, als Ihr in einem Videospiel einen bevölkerten Ort erreicht habt, der nicht nur dafür da war Eure Gruppe zu heilen, Euch hochzurüsten und belanglose Fetch-Quests zu erledigen? Oder sagen wir einfach, irgendein spezifischer bevölkerter Ort und beliebige NPCs [Non-Playable-Characters], die Euch in Erinnerung blieben? Bei mir ist das schon etwas länger her.

Kommen wir direkt zum Kern, weshalb bedeutsame Orte und Personen wahrscheinlich nicht in Erinnerung bleiben: Weil Rollenspiele nun einmal Dörfer/Städte und NPCs haben, also müssen sie zwangsweise eingebaut werden. Ein Military-Shooter, in dem es nichts abzuschießen gibt, verfehlt ja schließlich auch sein Genre, ergo ergibt dieses Argument schon irgendwie Sinn. Elemente einzubauen bestimmt zwar das Genre, aber macht es nicht automatisch gut, sondern eher wie diese eingebaut werden und wie man mit ihnen interagieren kann.

Und so verhält es sich auch mit Orten und NPCs. Bei Örtlichkeiten könnte man sich noch sagen, dass es halt irgendwelche historischen Ursachen gab, gleichgültig ob der Bau besonders sinnvoll war oder nicht - oder der Zweck verging über Zeit oder wurde verändert. Orte leben nicht, sie sind statisch und erfüllen vielleicht nur einen einzigen gesellschaftlichen Nutzen (Wohnungen, Übernachtung, Bildung, amüsieren, Lagerung, Herstellung, beten, etc). Das Design von Orten ist ergo sehr einfach zu argumentieren oder als Spieler zu akzeptieren.

Anders verhält es sich mit typischerweise dynamischen lebenden Menschen, den NPCs. Sie können nicht einfach stumm platziert werden, sondern müssen/sollten eine verbale Konversation erlauben. Der Inhalt der Konversation hängt [rein planerisch] von deren persönlicher Geschichte, derzeitigen Stimmung, Wissensstand, Alter, Beruf und generellen Lebenserfahrung ab. Hinzu kommt ein eventuell geplanter spielerischer Nutzen, der meist mit irgendeiner Quest zusammenhängt - oder Nutzen, der mir momentan nicht einfällt. Jedenfalls existieren eine Vielzahl von Möglichkeiten, um mit verschiedensten NPCs zu interagieren, ihre Stimmen farblich voneinander abzuheben oder Side-Quests zu initiieren.

Verschiedenste Menschen, können verschiedenste kleine und große Probleme haben. Verschiedene Menschen können dem Spieler verschiedene kleine und große Informationen zu deiner Welt, Gameplay oder Secrets geben. Sie sollten mindestens einen internen Nutzen haben, außerhalb von einfach nur zu existieren. Doch wenn der Spieler fast nur mit solchen Figuren konfrontiert wird, die im Wesentlichen nichts zum Spiel beitragen, wird er sich früher oder später nicht mehr mit den NPCs beschäftigen. Und ein Nutzen ist definitiv nicht, damit irgendein Protagonist einen dummen Kommentar von sich geben kann #UnleashingOfChaos.

Es gibt durchaus einige Berufszweige, die unsere NPCs eher zu Objekten degradieren - das verstehe ich völlig. Das beste Beispiel wären Wachen, die eine spezifische Aufgabe haben und diese mit aller Strenge erfüllen müssen. Wir ihr Name schon impliziert, müssen sie stets auf Wache sein bzw. patroullieren und sich nicht ablenken lassen. Oder nehmen wir Händler, mit denen man sich als Spieler nicht unbedingt vor jedem Einkauf über Stunden unterhalten möchte.

Doch bedeutet das, dass z.B. Wachen einfach als simple Stopschilder hergenommen werden dürfen? Ja, müssen sie aber nicht. Stellt sie euch als Polizisten, euren Freund und Helfer vor. Ihr seid verloren, sucht nach einem bestimmten Ort und fragt die Wache, die sich hier auskennen muss. Natürlich würde sie fragen, was wir dort wollen (denn das liegt in der Natur ihres Berufes), doch es ist eine legitime dynamische Interaktion.

Auch spricht nicht viel dagegen, sich länger mit Händlern zu unterhalten, bevor man etwas kauft, so lange dieser Dialog ein mal stattfindet. Stellt Euch Händler oder Verkäufer nicht als Kassierer vor, die i.d.R. nur so viel Dialog betreiben wie nötig, um den Handel abzuschließen, sondern als verkaufsfreudige Menschen, die ihr Hab und Gut loswerden wollen, ein tolles Angebot unterbreiten wollen, nach Eurem Wohlbefinden fragen um das Eis zu brechen und ein wenig Eure Kauffreude anzukurbeln - oder die einfach so gerne Konversation mit ihrer Kundschaft führen. ZACK, plötzliche Dynamik in eurer Welt, selbst beim Einkauf.

Diese beiden Berufe (Wache und Händler) sind zwei gute Beispiele unter den NPCs, für deren Notwendigkeit, die sich jedoch gleichzeitig auf eine persönliche Ebene weiter ausbauen lässt. Mehr Interaktion bedeutet, mehr Menschlichkeit. Die Figuren werden nicht einfach zu "Objekten des Spiels", sondern Personen, die man kennt und die einen umgekehrt plötzlich auch kennen.
Dem Spieler zu erlauben mit Figuren mehr zu interagieren, als unbedingt [und für gewöhnlich] nötig ist, hieft deren praktisch-mechanischen Nutzen auf eine dynamische Ebene, die der Spieler noch weniger als Notwendigkeit versteht, sondern als menschliche Selbstverständlichkeit.

Und wo wir schon an dem Punkt sind, Notwendigkeiten aufzuarbeiten, denken wir doch noch weiter:
Nehmen wir an, der Spieler erfüllt eine Side-Quest und erhält die Belohnung daraus. Das muss nicht das Ende der Interaktion sein. Stellt Euch die Realität vor und wie Ihr Euch gegenüber Personen verhaltet, die Euch in einer sehr wichtigen Sache geholfen haben. Das würde euer persönliches Verhältnis grundlegend ändern, ihr wärt keine Fremden. Ihr würdet euch vielleicht zukünftig gegenseitig helfen oder gerne einen Gefallen tun.

Es könnten völlig neue Sidequests geöffnet oder der zukünftige Weg vereinfacht werden (vor allen Dingen wenn der Protagonist eine weltrettende Mission hat, wird sicherlich versucht ihm irgendwie zu helfen, außer durch Geld und Items). Klingt revolutionär? Nein. Das macht Unterwegs in Düsterburg! Und das kam im Jahr 2003 raus. Es ist offensichtlich fantastisch gealtert und es sollten sich definitiv wesentlich mehr Entwickler ein Beispiel daran nehmen, als an generischem Hickhack, wie Vampires Dawn (denn das ist unfassbar schlecht gealtert, wird jedoch wesentlich öfter "kopiert"). Wenn ich noch ein gutes Spiel der Machart "UiD" empfehlen dürfte: Die Gräfin und die Spinne. Es ist fantastisch!

Der Punkt den ich jedenfalls machen wollte ist: NPCs können wesentlich mehr sein, als Informationsschilde oder ein Snack-Automat. Sie sind Digital und eben das ist das Problem - sie werden nicht von selbst menschlich. Lass den Spieler vergessen, dass dein Werk nur ein Spiel ist, indem du sie ausbaust und über die primitive Mindestnotwendigkeit hinaus gehst.

Das waren meine heutigen Gedanken.

[MG]

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